Vom Segmentierungs-Wahnsinn, Benchmarking-Irrglauben und anderen überbewerteten Management-Konzepten
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Vom Segmentierungs-Wahnsinn, Benchmarking-Irrglauben und anderen überbewerteten Management-Konzepten

Viele Management-Konzepte sind so weit verbreitet und akzeptiert, dass sie zu wenig kritisch hinterfragt werden. Und im schlechtesten Fall das Gegenteil dessen bewirken, was sie sollen.

Ich gebe zu: es gibt das eine oder andere Management-Konzept, von dem ich persönlich wenig halte. Bei manchen ist meine Erkenntnis erst die letzten Jahre gereift. Bei manchen ist das schon immer so. Ein paar solcher Konzepte habe ich als Beispiele heute dabei, die bei meinen Lesern sicherlich weit verbreitet sind, die es aber immer wieder kritisch zu hinterfragen gilt.

 

1. Der Kundensegmentierungs-Wahnsinn


Das Ziel der Übung:

eine moderne Kundensegmentierung mit dahinter liegenden Marktbearbeitungskonzepten soll die Kundenzufriedenheit erhöhen und die Produktivität der Bank steigern.


Die praktische Umsetzung:

es werden Kundendatentöpfe nach aktuellen und künftigen Ertragspotenzialen, nach vermeintlichen Kanalaffinitäten und nach sonstigen A-B-C-X-Y-Z-Kriterien gebildet. Und die Kunden danach bankintern wie wild neu zugeordnet und verschlüsselt. Motto: „Wenn wir erst mal alle Kunden am richtigen Platz haben, (erst) dann können wir endlich Vertrieb machen.“


Das Problem daran:

  • Alle paar Jahre gibt es neue Überlegungen, welche Kunden nun mit welchem Ansatz in welchen Segmentierungstopf gesteckt und mit welchen Vertriebskanälen besonders betreut werden sollen. Spätestens, wenn Bank-Verbände neue Konzepte propagieren oder (neue) Vertriebsverantwortliche in der Bank neue Ideen haben, geht die Segmentiererei wieder los.

  • Meist sind Ausnahmen vom Konzept in der Umsetzung nicht erlaubt. Wie kann es sein, dass ein Vermögensberater 15 Kunden aus seinem privaten Freundeskreis und seiner Nachbarschaft zugeordnet hat, die doch die Kriterien für dieses Segment gar nicht erfüllen! Pfui, geht gar nicht und muss sofort unterbunden und hart sanktioniert werden. (Achtung: das war Ironie!)

Welchen Schaden ein ständiges Neusegmentieren anrichten kann? Regionale Banken leben von einer besonderen, emotionalen Kundenbeziehung und ihrem Vertrauen zu ihren Kunden.


Was reitet manche Banken, durch regelmäßig wiederkehrende Neusegmentierungs-Konzepte einen Großteil der "Kunde-Berater-Beziehungen" zu kappen und zu zerstören?

Mit der Folge, dass diese dann über Jahre erst wieder neu aufgebaut werden müssen (bevor die nächste Segmentierungswelle sie dann wieder zerstört ... falls der zuständige Bankberater nicht schon vorher gewechselt hat)! Das wäre genauso, wie wenn in Ihrem Lieblingsrestaurant ständig der Koch und die Bedienung wechselt. Ja, es kann dadurch für den Kunden auch besser werden. Wird es in vielen Fällen aber nicht. Was zwischen Kunde und Bank(berater) definitiv leiden wird: das Gefühl von „wir kennen und vertrauen uns“.


Ist deshalb eine Kundensegmentierung unsinnig? Nein, wenn es mit Maß und Ziel gemacht wird.

Ich würde max. 3 Segmente bilden:


1. Regelmäßig und aktiv betreute Kunden

2. Unregelmäßig und eher reaktiv beratene Kunden

(hier darf dennoch die ganze Omni-Kanal-Klaviatur eingesetzt werden, um den Kunden zum Kauf zu animieren.

Solange die Aktivitäten bezahlbar bleiben.)

3. Passive Kunden (werden grundsätzlich eher in Ruhe gelassen)


Die Umsetzung erfolgt mit viel Pragmatismus und einer 80-Prozent-Perfektion. Alles darüber hinaus macht mehr kaputt, als es bringt. Merkmale wie „Kanalaffinitäten“ können als Information am Kunden hinterlegt werden. Sie führen aber nicht (zwingend) zu einer Neuzuordnung.


Was beim Thema „Segmentierung“ immer vergessen wird: mit welchem Berater möchte denn der Kunde zusammenarbeiten? Diese Frage stellt sich (und dem Kunden) kaum eine Bank. Wenn der Kunde einen Berater hat, mit dem er schon Jahre Erfahrungen gemacht hat und den er akzeptiert, ist das doch die halbe Miete für die Kundenbindung und den Vertriebserfolg. Einige wenige, meist große Banken ermöglichen über sogenannte „Beraterfinder“, dass der Kunde selbst seinen Wunschberater auswählt. Solche kundenorientierten Gedanken gilt es, weiterzuverfolgen.

 

2. Der Benchmarking-Irrglaube


Das Ziel des Benchmarkings:

Genossenschaftsbanken und Sparkassen vergleichen sich gerne. Denn man meint, durch das identische Geschäftsmodell ja grundsätzlich eine ähnliche Situation zu haben. Deshalb wird eine Vielzahl an Instituts-Kennzahlen miteinander verglichen um zu schauen, wie gut man (scheinbar) performt.


Die praktische Umsetzung:

Ist man besser als die Vergleichsgruppe, freut man sich und sagt: bei Kriterium X und Y sind wir ja schon gut. Lass uns mal auf unsere Schwächen schauen. Andere nehmen sich eine bestimmte Rangstelle im Benchmarking-Vergleich zum Ziel. Ein Vorstand sagte mir mal: „Ich möchte möglichst immer über dem Durchschnitt des Regionalverbandes sein.“ Ob wohl auch seine Kunden mit einer „nur durchschnittlichen Bank“ zufrieden sind? Oder ob man privat einen „durchschnittlich attraktiven Partner“ auswählen würde?


Das Problem am Benchmarking:

Wer sich immer im gleichen Sumpf (Entschuldigung für den Ausdruck) mit seinesgleichen vergleicht, wird keine unternehmerischen und kreativen Entwicklungssprünge machen. Er wird stattdessen eher an seinen Defiziten herum-optimieren, statt seine Stärken weiter auszubauen. Kostet viel Energie und bringt einen nicht wirklich weiter.


Stellen Sie sich doch lieber einmal die Frage, wie Sie Ihr Geschäft verdoppeln könnten! Wetten, dass Sie auf andere Lösungen kommen, als wenn Sie im Benchmarkvergleich den (nur) 8-prozentigen Rückstand zu vergleichbaren Regionalbanken aufholen wollen? Wer wirklich vorwärts kommen möchte, sollte nicht auf andere Regionalbanken schauen, sondern das eigene kreativ-unternehmerische Potenzial heben. Mehr dazu in diesem früheren Blog-Beitrag: "Die größte Wachstumsbremse Ihrer Bank? Finden Sie zwischen Ihren beiden Ohren!" Oder lernen Sie von ganz anderen Branchen und Wettbewerbern, wo man sicherlich extrem viel abschauen kann.

 

3. Planungsorgien als weitere unnütze Übertreibung


Wenn man als Autor schon mal in Fahrt ist, könnten man an dieser Stelle gerade so weitermachen. Vieles fällt einem da an Konzepten und Arbeitsweisen ein, die das Management eher bremsen als unterstützen. Man denke da nur an überbordende Planungsorgien, wo in kleingedruckten Excel-Tabellen die Bankzukunft in der dritten Nachkomma-Stelle auf 5 Jahre hinaus durchsimuliert wird. Nicht für das Bankaufsichtsgespräch, sondern für das eigene gute Gefühl, „die Zukunft jetzt gut greifen zu können“.


Sparen Sie sich und Ihren Mitarbeitern die Planungs-Mühen! Die Zukunft wird eh anders, als sie in Ihrer Excel-Tabelle steht (oder hatten Sie die Corona-Krise im Herbst letzten Jahres bereits eingepreist?).


Mein Credo: lieber die Zukunft aktiv gestalten und in der logischen Folge gute Zahlen erwirtschaften, als sich selbst in Klausurtagungs- und Planungsprozessen ein X für ein U vorzumachen. Ach ja, zum Thema „Jahresklausur“ empfehle ich Ihnen noch diesen früheren Blog-Beitrag: "Ihre Jahresklausur - Zahlengeschacher oder emotionaler Aufbruch?"


Haben Sie Vertrauen in sich, Ihre Kollegen und die Fähigkeit Ihres Hauses, die Dinge neu zu denken und zu gestalten. Dann muss man weder anderen Konzepten, Benchmarks oder vermeintlichen Heilsbringern hinterherlaufen.

 

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Ihr Ulrich Thaidigsmann

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